Erster Teil einer Serie von Artikeln über die Suche nach dem perfekten Espresso. Zu verstehen was „Brühverhältnis“ bedeutet und wie ich diese Größe einsetzen kann um meinen Espresso Bezug systematisch zu verbessern, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem perfekten Espresso.
Brühverhältnis - die Bedeutung
Zugegebenermaßen ist das Wort „Brühverhältnis“ eine eher holprige Übersetzung des wohlklingenden englischen Begriffs Brew Ratio. Daher werde ich in der Folge auch den exakter erscheinenden englischen Begriff verwenden.
Prinzipiell ist die Brew Ratio ein sehr einfaches Konzept. Sie beschreibt schlicht das Verhältnis aus gemahlenem Kaffee den ich in den Siebträger fülle und der Menge an Espresso, der am Ende in der Tasse landet. Ein einfaches Beispiel wäre der typisch italienische Espresso mit einer Brew Ratio von 1:2,75. Aus einem Gramm gemahlenen Kaffee möchte ich im Bezug 2,75 Gramm Espresso beziehen. Mit 8 Gramm Espresso im einfachen Sieb würde ich dann bei einer Menge von 22 Gramm Espresso landen. Mit Crema kommt man so auf ca. 25ml.
Wie arbeitet man mit der Brew Ratio?
Um die Brew Ratio messen zu können braucht man eine Espressowaage, die in 0,1 Gramm Schritten messen kann. Zunächst wiegt man den gemahlenen Kaffee der gebrüht werden soll. Diese Größe nennt man „IN (=Rein)“. Während dem Bezug misst man die Menge Espresso die in der Tasse landet, genannt OUT(=Raus). Eine unserer beliebtesten Röstungen hat ihr Optimum bei 16 Gramm in und einer Brew Ratio von 1:2,5. Dem entsprechend würden man den Bezug bei einer Menge von 40 Gramm in der Tasse beenden.
Damit aus dem Verhältnis zwischen IN und OUT ein Schuh wird, müssen wir noch einen dritten Faktor mit an Bord holen, die Zeit. Natürlich kann man die 40 Gramm OUT aus unserem Beispiel in 5, 10 oder 25 Sekunden erreichen. Dabei wären die beiden ersten Bezüge mit 5 und 10 Sekunden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ungenießbar. Ein Espresso der mit 16 Gramm IN in 25 Sekunden zu einem OUT von 40 Gramm führt, ist bei den meisten mittleren italienischen Röstungen mindestens gut trinkbar.
Das magische Dreieck - IN | OUT | ZEIT
Um dem Wort „systematisch“ aus den ersten Zeilen gerecht zu werden ist es bei Dreiklang aus eingesetzter Kaffeemenge, extrahierten Getränk und Zeit wichtig, die Faktoren langsam und mit Bedacht zu verändern. Zunächst sollte man sich ein Basis Setup suchen, wie z.B. eben genannt (IN:16, OUT:40, 25 Sekunden). Man verändert den Mahlgrad solange bis die gewünschte Brew Ratio in der festgelegten Zeit erreicht ist. Jetzt fängt das experimentieren an. Was passiert wenn ich bei OUT statt 40 Gramm nur 36 Gramm Espresso beziehen. Die Zeit und IN bleiben gleich. Um diese Veränderung zu erreichen muss der Mahlgrad feiner gestellt werden. Genauso gut könnte man ausgehend vom Basis SetUp statt der anfangs gewählten 16 Gramm IN, nun 18 Gramm IN verwenden. OUT würde weiterhin bei 40 Gramm in 25 Sekunden bleiben. In diesem Fall muss der Mahlgrad gröber eingestellt werden, um bei der höheren Kaffeemenge auf die gleiche Extraktionszeit zu kommen.
Bei jeder Veränderung der Brew Ratio und konstanter Bezugszeit kann man eine andere Facette der Espressobohnen entdecken. Wenn man immer wieder zum Basis SetUp zurück kehrt und von dort aus eine neue Erkundungstour startet, lernt man die Röstung quasi immer besser kennen. Interessant ist, dass man häufig die selbe Brew Ratio auch bei anderen Bohne als sehr passend empfindet. Das gilt natürlich nur dann, wenn die Bohnen einen ähnlichen Charakter haben und nicht vollkommen unterschiedlich geröstet sind.
Dem eigenen Gefühl vertrauen
Die Überlegung rund um das Thema Brew Ratio führen häufig zu einem deutlich besseren Espresso, aber man sollte den Spaß bei der Zubereitung dabei nicht aus den Augen verlieren. Bei jedem Espresso mit einer Waage zu hantieren, ist für die wenigsten Domobarista auf Dauer ein Vergnügen. Den eigenen Espresso auf ein neues Level zu bringen ist eine hervorragende Beschäftigung für einen trüben Sonntagmorgen. Die neu gewonnene Erkenntnisse sollte man sich gut einprägen und anschließend versuchen auch ohne Messequipment umsetzten und erkennen zu können. Wenn man Lust und Laune hat kann man sich von Zeit zur Zeit selber testen. Ein sehr renommierter Barista hat es einmal ziemlich treffend auf den Punkt gebracht, er sagte sinngemäß: „Das Können eines Schreiner bemisst sich nicht an der Fähigkeit mit einem Zollstock umgehen zu können“.